Artikel / Interview GOTHIC No. 31 (Oktober 2000)

Von Zeit zu Zeit erlebt man auch aus der Gothic Rock-Ecke unerwartete Überraschungen, und es taucht aus dem Nichts eine Band auf, die mit ihrer Musik zu fesseln versteht. Wie wichtig solche Aha-Erlebnisse sind, wird einem manchmal erst klar, wenn man feststellt, wie viele andere Bands sich in derselben Zeit aufgelöst oder einen kompletten Wechsel der Stilrichtung vollzogen haben.

Als ich zum ersten Mal von REPTYLE hörte, war ich von der Ehrlichkeit und rauhen Atmosphäre ihrer Songs begeistert, aber ich fühlte mich gleichzeitig sehr stark an FIELDS OF THE NEPHILIM erinnert, vielleicht alleine schon wegen der Besetzung mit Drummer, zwei Gitarren, Bass, Keyboards und einem Sänger, dessen Stimme, na ja, gewisse Ähnlichkeiten nicht ganz leugnen läßt.

"Fields sind mit Sicherheit ein wichtiger Einfluß auf unseren Sound", meint Gitarrist Keule, als ich ihn daraufhin anspreche. "Unsere Einflüsse sind allerdings weitaus vielschichtiger und die individuellen Spielweisen der einzelnen Bandmitglieder sorgen dafür, daß wir einen eigenständigen Sound kreiert haben. Da unser Repertoire sowohl vom Sound als auch von der Struktur her sehr unterschiedliche Songs enthält, sind wir mit irgendwelchen Bandvergleichen natürlich nicht ganz glücklich, da man dadurch schnell in eine bestimmte Ecke gedrängt wird. Daß es die Fields jetzt wieder gibt, ist natürlich stark. Den neuen Mix von "Trees come down" finde ich persönlich allerdings sehr enttäuschend, da er doch mehr nach "NEFILIM" als nach "FIELDS" klingt, was mir nicht so zusagt."

Und in der Tat mußte ich nach mehrmaligem Hören der Demo-CD "Monochrome", deren drei Stücke gleich hungrig auf mehr machten, zugeben, daß der erste Eindruck leicht getäuscht hatte. Die Einflüsse von REPTYLE sind vielfältig, und das, was die Band wirklich ausmacht, ist die Atmosphäre, die sie in ihren Songs rüber bringt.

"Die Musik unterliegt immer den persönlichen Eindrücken der einzelnen Bandmitglieder, und dementsprechend soll der Zuhörer auch seine ganz persönlichen Albträume durchleben", meint Keule. Allerdings ist es nicht nur die Musik, sondern das gesamte Erscheinungsbild, das eine deutliche Richtung abgibt. Und wenn er von "Albträumen" spricht, dann trifft das ganz gut das, was in den Songs mitschwingt und sich im betont vage und nebülos gehaltenen Artwork widerspiegelt. REPTYLE lassen Platz für Phantasie. Das unterscheidet sie natürlich von den Bands, die man einfach so konsumieren kann.

Ich war überrascht, daß es die Band erst seit anderthalb Jahren gab, und daß sich in dieser relativ kurzen Zeit so etwas homogenes aus dem Nichts verdichten konnte.

Keule erinnert sich: "Wir haben das erste halbe Jahr damit verbracht, am vorhandenen Songmaterial zu arbeiten und Instrumentalversionen einiger Titel fertigzustellen, bevor wir dann nach längerer Suche und diversen Hearings mit Zulu im Spätsommer 99 endlich den passenden Frontmann fanden. Danach wurden die bereits vorhandenen Songs komplett fertiggestellt und parallel dazu an neuem Songmaterial gearbeitet, welches wir im November des Jahres als Support für PASSION PLAY erstmalig live präsentiert haben. Nach Fertigstellung unserer Demo-CD im Januar 2000 haben wir uns wieder in den Proberaum zurückgezogen, um Songideen anzutesten und neues Songmaterial zu erarbeiten. Obwohl die grobe Stilrichtung unserer Musik von Anfang an klar war, hat sich unser Stil auch durch die Einflüsse von allen Bandmitgliedern immer weiter zu einem eigenständigen Sound entwickelt".

Es bleibt vor allem abzuwarten, wie sich die Arbeit im Studioauf das Album auswirken kann, das die Band nun nach einigen Auftritten als nächstes in Angriff nehmen möchte. Die ersten Studioerfahrungen waren nicht durchweg positiv: "Die Arbeit im Studio war ziemlich stressig, da wir die Songs an einem einzigen Wochenende einspielen mußten. Wie blieben auch nicht verschont, was technische Pannen im Studio angeht. Durch die drei Songs können sich Konzertveranstalter und Fanzines etc. einen Einblick in den reptylianischen Sound verschaffen. Unser Liveprogramm besteht fast ausschließlich aus eigenen Stücken. Als mögliche Zugabe haben wir aber immer noch ein, zwei Coverversionen im Repertoire.

Wenn man weiß, wieviel Einfluß Studiotechniker auf die Entwicklung einer Band nehmen können, dann kann man der Band nur viel Glück wünschen. Auf jeden Fall sollte man schon jetzt reinhören oder auf der Homepage vorbeischauen (www.reptyle.de) und sich einen ersten Eindruck verschaffen. (Jörg Bartscher-Kleudgen)