Artikel GOTHIC-Magazin No. 44 (August 2004)

Deutschland hat Großbritannien schon seit ein paar Jahren den Rang abgelaufen, was junge und vielversprechende Gothic-Rock-Bands angeht. Zu denen gehören unbedingt auch REPTYLE aus Bielefeld. Das Quintett macht guten, alten, aber unverstaubten 80er-Goth-Rock. Mit ihren dunkel-rockigen Klängen haben sich Zulu (vocals), Keule (Gitarre), Slash (Gitarre), Moci (Bass) und Kufi (Keyboards) in den knapp fünf Jahren ihres Bestehens schon einen Namen erspielt. Nach mehreren EPs, die REPTYLE in Eigenregie herausbrachten, ist nun mit "A high and lonely place" das erste offizielle Full-Length-Album auf einem offiziellen Label (Sonorium) erschienen. Und das kann sich hören lassen!

Die elf Tracks kommen sehr düsterrockig-rotzig her und bieten eine Menge Abwechslung. Sägende Gitarren, eine dunkel-gepresste Stimme und viel Bass sorgen für das richtige Feeling, bei dem Nostalgiker durchaus auch mal mit einem wohligen Seufzer an alte Helden des Genres denken werden.

Klar, REPTYLE erfinden den Gothic Rock nicht neu, aber was sie machen, klingt einfach gut und echt. Egal, ob man sich das treibende "The Light (Martyr`s Song Part 1)" mit dezenten atmosphärischen Keyboardsounds zu Gemüte führt, oder das flotte "Green Land" oder die melancholische und schöne Ballade "A high and lonely place". Höhepunkt des Albums ist aber sicher der Schlusstrack, das über zehnminütige, hypnotische "Redemption Street". Wollte man unbedingt was zum meckern finden, könnte man anführen, dass die Produktion hier und da noch besser sein könnte und der Gesang manchmal ein wenig holpert. Doch das schmälert nicht den Gesamteindruck, reinhören lohnt sich.

 

Wie fühlt man sich, wenn man nach einigen EPs nun die erste Full-Length-CD in den Händen hält? Ist damit ein Etappenziel erreicht?

Keule: Auf jeden Fall! Im Vergleich zu den selbstgebrannten Vorgänger-E.P.`s haben wir mit dieser offiziellen Veröffentlichung natürlich weitaus bessere Chancen, um auf uns aufmerksam zu machen - sei es durch die Promotion unseres Labels oder durch den Vorteil, das unsere CD jetzt auch zusätzlich im Ausland offiziell erhältlich ist. Wir hoffen natürlich, dass diesem wichtigen "Meilenstein" weitere folgen werden, damit wir in Zukunft noch mehr Leute auf uns aufmerksam machen können.....

Eure CD heißt "A High and lonely place". Habt Ihr einen bestimmten geographischen Ort vor Augen, oder ist das eher übertragen gemeint?

Zulu: Der 'High and Lonely Place' ist kein geographischer Ort. Er ist eigentlich überhaupt kein EINZELNER Ort, er ist eher ein Erfahrung. Die Worte stehen für mich als Code für Kälte, Entrückung, Lebensferne, aber auch Rückblick, Erinnerung, Blick auf das Leben aus einer Außenperspektive.

Eure Texte sind sehr ungewöhnlich - sehr lang und kompakt - eigentlich sind es beinahe Geschichten, oder vielmehr noch Stimmungsbilder. Wie seid Ihr auf dieses Stilmittel gekommen, warum ist es wichtig?

Zulu: Mehr Stimmungsbilder als Geschichten! Das trifft es. Das eigentliche Geschichtenerzählen - so im Nick Cave`schen Sinne - ist einfach nicht mein Ding, das kann ich eigentlich auch nicht (wobei die beiden Martyr's Songs ansatzweise in die Richtung gehen). Warum? Eigentlich geht es mir darum, Distanz zum Hörer zu überwinden. Emotionen zu vermitteln - wobei, das ist eigentlich noch zu schwach. Ich will Bilder, Typen, Formeln im Hörer zum Leben erwecken. Das geht nur, wenn ich diese so direkt, so schonungslos, so un-vermittelt wie möglich aus mir herausschöpfe und in die Songs gebe.

Diese Stimmungsbilder sind sehr atmosphärisch, aber oft auch nicht so leicht interpretierbar. Was ist für Euch zum Beispiel die "Redemption Street"? Und wer ist der Märtyrer, der ja zweimal vorkommt?

Zulu: Die 'Redemption Street' ist die Straße aus einer schwülen Nacht in den kalten Morgen. Ernüchterung durch Erinnerung, Rückzug ins Leben, der schale Geschmack vom vorabendlichen Besäufnis, der vom Morgennebel weggewaschen wird, und in den Ruinen alter Enttäuschungen wird ein Feuer entzündet... Und die Märtyrer? Es sind zwei, mehr verrate ich nicht... ehrlich gesagt halte ich nicht so viel davon, über die Texte zu reden. Wenn sie nicht aus sich selbst und unerklärt funktionieren, dann habe ich meinen Job eh verfehlt...

Wovon lasst Ihr Euch inspirieren, sowohl von der Musik als auch von den Texten her?

Keule: Schwer zu sagen....ich habe normalerweise ganz plötzlich (ohne "Vorwarnung") eine Idee - das kann ein Riff, eine Harmonie, dazu ein bestimmter Sound oder sonstiges sein - im Kopf und verspüre anschließend den Drang, diese sofort weiter auszuarbeiten. Wovon ich in diesem Augenblick inspiriert wurde? Keine Ahnung, muss irgendwo aus dem Unterbewusstsein kommen...

Zulu: Ehrlich gesagt, das kann alles sein. Normalerweise entspinnt sich aus irgendeiner Erfahrung, irgendeiner Überlegung (die können durchaus durch Bücher und Filme angeregt sein) ein Faden und dann eine Formel, die sich dann über Wochen, manchmal Monate entwickelt, bis sie dann in einen Song mündet. Ich bin ein eifriger Skizzenbuchführer, aber der tatsächliche Ursprung, das, was VOR der Formel liegt, das liegt, wenn ich's mir überlege, schließlich im Dunkeln.

Die Wurzeln Eurer Musik liegt ja bei den 80er-UK-Goth-Bands. Was verbindet Ihr persönlich mit dieser Zeit? Warum gefällt Euch diese Musik, inwiefern hat sie Euch geprägt?

Keule: Also, keiner von uns hat die Sisters damals noch in Originalbesetzung gesehen - so alt sind wir noch nicht....;-))). Der Gothic-Rock der 80er sagt uns allen natürlich sehr zu und hat uns folglich auch ziemlich beeinflusst. Damals ging es (meistens jedenfalls) ja noch primär um die Musik der Bands - heutzutage hab ich manchmal das Gefühl, dass die Promofotos zum Release wichtiger sind als die Qualität des eigentlichen Tonträgers. Wenn sich z.B. die damaligen Joy Division heutzutage bei einem Label bewerben würden, hätten sie wahrscheinlich ein tierisches Problem mit ihrem Outfit ("Zieht euch erst mal Lackklamotten an...!").

Wenn Ihr die Wahl hättet, was würdet Ihr lieber auflegen: Sisters of Mercy, Fields of the Nephilim oder eine ganz andere Band (und welche?? ;-)

Keule: Da sowohl die Sisters als auch die Fields (mit Abstrichen) noch mehr oder weniger zum Standardprogramm der DJ´s gehören, die den Goth-Rock nicht komplett boykottieren, würde ich was eher seltenes spielen, z.B. was rares von "Killing Joke" oder "The Wake"...

Inwiefern hat sich Eure Musik auf dem Album im Vergleich zu den EPs verändert? Was habt Ihr anders gemacht, hattet Ihr mehr Zeit? (der Veröffentlichungstermin ist ja auch mal verschoben worden).

Zulu: Wir standen nur unter unserem eigenen Zeitdruck, und auch das Aufnahmeverfahren hat sich im Vergleich zu den EPs nicht verändert - Eigenproduktion halt... Deswegen sehe ich eigentlich auch keinen Bruch, keinen grundsätzlichen Unterschied, nur die logische Entwicklung aus dem heraus, was wir bisher gemacht haben. Wäre allerdings auch nicht unser Ding. Sollen sich andere im Monatsrhythmus neu erfinden...

Wie geht es jetzt weiter mit Reptyle? Was wollt Ihr mit der Band noch erreichen?

Keule: Wie oben schon erwähnt - wir haben einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht und hoffen natürlich, dass es weiter bergauf mit uns geht. Wir hätten in Zukunft bestimmt kein Problem damit, auch mal bei größeren Festivals auf der Bühne zu stehen bzw. insgesamt mehr Gigs zu spielen, besonders im Ausland. Ansonsten sind wir natürlich schon dabei, neue Songs für den Nachfolger zu "A high and lonely place" auszuarbeiten - Ziel ist hierbei natürlich, sowohl dass Songwriting als auch die spätere Produktion im Vergleich zum Vorgänger zu verbessern.....

Zulu: Ziele? Das, was wir jeden Abend tun: Die Weltherrschaft an uns reißen..;-)))

Claudia Frickel