Interview Gothicworld (Mai 2004)

"Wir suchen den Tod des Rock'n'Roll und haben ihn noch nicht gefunden, das Spiel geht weiter..."

Wer hätte gedacht, dass das Album " A High And Lonely Place" von REPTYLE in der 18. KW auf Platz 22 der Native 25-Album-Charts einsteigen würde und damit beweist, dass es doch noch einige Hörer und Liebhaber handgemachter Musik gibt, und die auch mal auf etwas unbekanntere Bands schauen. Grund genug für uns, Sänger Zulu und Gitarrist Slash etwas genauer zu ihrer Musik und ihrer neuen Platte zu befragen

Auch wenn REPTYLE durch einige Samplerbeiträge und diverse Veröffentlichung einigen bekannt sein könnte, gibt es bestimmt noch Leute, die nichts mit dem Namen anfangen können und so frage ich einfach mal, wie Ihr Eure Musik selbst kurz beschreiben würdet und was vielleicht das besondere an Eurem Sound ist?

Zulu: Ha, die schwierigste Frage zuerst. Also: Wir sind eine Rock'n'Roll-Band aus Bielefeld - immerhin einer Stadt, die nicht existiert. Rock'n'Roll ist ein Spiel, das nur dann funktioniert, wenn man die Spielregeln ignoriert. Die Spielregeln sind Erwartungshaltungen und die ironische Aggression. Wir wenden die Ironie gegen sich selbst und spielen mit Radikalität. Das nennen manche Engstirnigkeit. Womit wir wieder bei den Erwartungshaltungen wären... Anders gesagt: Wir suchen den Tod des Rock'n'Roll und haben ihn noch nicht gefunden, das Spiel geht weiter...

Nach einem halben Jahr Verspätung ist es nun endlich vollbracht und Euer neues Album ist für jedermann erhältlich. Auch wenn sich das Warten auf alle Fälle gelohnt hat, könnt Ihr sagen, woran es gelegen hat?

Slash: Das Album sollte tatsächlich ursprünglich im Oktober 2003 releast werden, unserem Label war zum damaligen Zeitpunkt aber hier und da der Sound nicht druckvoll genug, so dass es noch mal neu gemastert wurde. Die ersten Reaktionen zeigen aber, dass das Motto "Was lange währt..." offensichtlich auch in unserem Fall gilt.

Einige Lieder sind ja nun schon etwas älter. So gab es zum Beispiel "Descent to heaven" schon auf dem Ligeia`s Death Sampler 2002. Wie sieht das mit den anderen aus?

Zulu: Wenn wir früher einen Deal gekriegt hätten, wären die Sachen nicht so alt geworden ;-) ... nein, das ganze Album ist über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren entstanden, die 'Descent to Heaven'-Promo-EP war ein frühes Resultat dieses Prozesses - die drei Songs, die da drauf sind, sind in aufgerüsteten Fassungen auch auf dem Album zu hören. Das Album ist insofern keine Zusammenstellung von Demos, sondern schon als Ganzes entstanden und umgesetzt worden, das ist uns wichtig.

Bei dieser Art von Musik fragt man ja gerne nach den musikalischen Vorbildern. Also mach ich das auch mal, gerade da mir vielleicht eine entfernte Ähnlichkeit zu den Fields of the Nephilim aufgefallen ist.

Slash: Der Vergleich mit den Fields ehrt uns natürlich, da sie sicher eine der bedeutendsten Bands im Gothrock-Genre waren... unsere Einflüsse reichen allerdings weiter, von Punk über Prog-Rock und Metal eigentlich die ganze Skala dunkler Musik. Einerseits sind diese Vergleiche natürlich notwendig, um innerhalb der Musiklandschaft einen Platz zu finden - andererseits treffen sie naturgemäß nie den Punkt... aber so lange die Vergleiche sich auf von uns geschätzte Bands beschränken, können wir damit gut leben.

Eure Art von Musik ist meiner Meinung nach nicht nur dazu gedacht, in der heimischen Musikanlage zu rotieren, sondern muß vielmehr live erlebt werden. Wie sieht es bei Euch mit Live-Auftritten aus? Welchen Stellenwert nimmt das Spielen vor oder mit dem Publikum für Euch ein und wie sind Eure Erfahrungen.

Zulu: Das ist unterschiedlich. Einige von uns sind begeisterte Live-Spieler, ich persönlich (immer) weniger. Versteh mich nicht falsch: Es ist immer noch geil, auf der Bühne zu stehen und die Möglichkeit zu haben, was zu geben, was auszudrücken, was zu vermitteln, nur leider bleibt diese Möglichkeit meist eine theoretische. Vieles kommt einfach nicht an beim Publikum, zumindest ist das mein Eindruck. Ich habe den Verdacht, daß der Tod des Rock'n'Roll genau im Grenzgebiet von Bühnenrand und Publikum zu suchen ist. Aber, wie gesagt, solange er nicht gefunden ist, geht das Spiel weiter. Überrascht uns.

Ein wenig denke ich bei REPTYLE an Sex, Drugs und Rock ‚n' Roll. Wie sieht es damit bei Euch aus?

Slash: Also,wenn schon Klischees - dann eindeutig das von Dir genannte. Wir können weder mit Rüschenhemden noch mit diesem ganzen Mittelalter-Hype irgendwas anfangen, so dass Du mit Deiner Einschätzung schon ziemlich richtig liegst... wir versuchen auf unseren Live-Gigs jedenfalls immer, das umzusetzen. Wie man hörte, eilt uns dieser Ruf auch in schöner Regelmäßigkeit voraus, und wir können damit sehr gut leben. Das dürfte Deine Frage hinreichend beantworten... ;-)

Anbei vielleicht mal die Frage nach dem Namen. Was habt Ihr oder Eure Musik mit Reptilien zu tun?

Slash: Da gibt es gleich mehrere Querverweise - angefangen von "Reptile" von den NIN bis hin zur Figur der Schlange in der Mythologie, die ja ganz allgemein für Verführung steht... wie Deine Frage zeigt, ist der Bandname nicht eindeutig mit Klischees belegt und das war eine unserer Intentionen. Wahrscheinlich hätten wir es mit Namen wie "Darklords" oder "Leichenfledderer" einfacher gehabt, auf uns aufmerksam zu machen, aber wir nehmen unsere Musik - im Gegensatz zu uns selbst - schon sehr ernst und wollten vermeiden, sie der Lächerlichkeit Preis zu geben.

Wie sieht es mit der Zukunft von REPTYLE aus? Sind irgendwelche besonderen Dinge geplant?

Zulu: Die Zukunft von REPTYLE? Sieht wie immer schlecht aus... Es wird eine Handvoll Gigs geben, siehe oben... Abgesehen davon arbeiten wir an neuen Songs, so daß es irgendwann ein neues Album geben wird. Es wird vermutlich 'The Great Goth Swindle' heißen und zehnmal poppiger, bösartiger und finsterer klingen als das aktuelle, und trotzdem genau gleich...

Zum Schluß noch die Frage: Kommt Ihr wirklich aus Bielefeld?

Zulu: Lustigerweise steht bei uns, wenn wir uns irgendwo in Ankündigen oder Anzeigen sehen, fast immer der Zusatz 'aus Bielefeld' ganz prominent dabei. Irgendwas muß die Leute daran faszinieren, was für eine Stadt, die - siehe oben - nicht existiert, schon nicht schlecht ist. Um diene Frage zu beantworten: Alle Anzeichen sprechen dafür, eine letzte Ungewißheit bleibt.

Silvio Wolff (Gothicworld)