Amboss-Mag:
23.05.2001 Bielefeld (Elfenbein) + SPIRITUAL CRAMP


Gott sei Dank wirkt es sich auf die Bielefelder Musiklandschaft nicht negativ aus, daß
man einen Scheiß Fußballclub hat. Hallo Arminia, euer Feindclub St.Pauli hat es geschafft,
und ist froh, nicht mehr die Alm erklettern zu müssen. Und weil ich schon mal dabei bin,
gleich den nächsten Seitenhieb auf das Elfenbein. Ist euer Bier mit Goldstaub versehen,
oder warum ist es so teuer? Die Mengen an Wasser, die ihr diesem Getränk beimischt,
können den Preis wohl kaum steigen lassen. Aber was rege ich mich auf, hier geht's um
Musik und die war an diesem Abend klasse. Als erstes betraten zwei Mitglieder von
SPIRITUAL CRAMP die Bühne. Ihr von harten Beats unterstützter elektronischer Wave
erinnert an die Anfangsphase dieser Richtung. Sehr 80er beeinflußt und mit melancholisch
düsteren Männergesang dargeboten, ist die Musik ebenso tanzbar, wie nachdenklich. Man
arbeitete auf diesem Konzert auch mit Leinwandprojektionen. So wurde beim Intro ein Zitat
von Nitsche, später dann Textpassagen oder Dias mit Alben Cover oder sonstiges eingeblendet.
Nach den ersten beiden Stücken betrat dann die zierliche Sängerin die Bühne, die Szenerie
verwandelte sich, nicht nur aufgrund des lieblichen Gesangs. Mich erinnert die Musik stark an
die alten Invisible Limits. Neben Songs des aktuellen Werkes, welches den Hauptteil des
Programms ausmachten, gab es auch ältere Songs und ein Cover von BAUHAUS ("Passion of
Lovers") zu hören. Nach sechzig Minuten hinterließ man einen sehr positiven Eindruck, vor
allem weil man es auch Live schaffte den Duett Gesang perfekt in die kompakten Songstrukturen
zu verpacken. Nach einer kleinen Pause, in der ich mich nochmal mit gelbem Mineralwasser eindeckte,
betraten dann REPTYLE die Bühne. Wie schon in Hannover, als Vorgruppe von den Kinder
Grufties CINEMA STRANGE, begann man erneut mit dem Intro "End" und ließ "Just another
Message" folgen. Aber irgendwas war anders, denn Sänger Zulu schien mit seiner Energie allein
gelassen zu werden. Zunächst diente der Mikrofonständer zum Ausleben der innewohnenden
Energie. Nachdem er diesen genug malträtiert hatte, tanzte er noch kurz durchs Publikum. Dazu
schrie er diesmal seine Texte in wilder Weise in die "Massen". Man merkte das REPTYLE hier
ein Heimspiel hatten, und der Sieg Pflicht war. Allerdings fand ich die "Ausziehen, Ausziehen"
Rufe der Fans eher peinlich, als witzig. Zulu war es egal, vor "Hours" schrie er dann noch kurz
" Gothic Rock is not dead", und überzeugte danach mit dunklem Gesang. Mit "Summers fading"
folgte dann ein unveröffentlichter Track. Nachdem man mit "Anyway grateful" den Fields zeigte
wo der Hammer hängt, folgte das tieftraurige "May18th", bei dem Slash, der diesen Song schrieb,
die ganze Zeit, bis auf einen kurzen Blick auf die Pedale, seine Augen geschlossen hielt. Bei diesem
melancholischen Song nervten dann endgültig die "Ausziehen " Typen, welche jetzt gar ein Plakat
hoch hielten. Um mit Keules Worten zu reden "Das ist kein Kindergeburtstag", allerdings wäre auch
dort dieses Plakat fehl am Platze. Das folgende "Endurance" von der aktuellen MCD ist ein Beispiel
dafür, das man auch bei sehr düsteren Songs, nicht die rockige Seite vergessen muß. Zulu hatte sich
mittlerweile auch wieder gefangen, obwohl man immer das Gefühl hatte, daß er explodiert. Nachdem
man mit "Green Land" einen neuen Song einstreute, wanderte man mit "Giving Ground" tief in die 80er.
Dieser Cover Song von SISTERHOOD, damals nur aus dem Grunde entstanden, "THE MISSION" den
Namen zu klauen, wird in der Gitarrenlastigen Überarbeitung von REPTYLE erst zum Klassiker. Die Band
verließ danach für eine kurze Trinkpause die Bühne, um mit dem neunminütigen "Despair" zurückzukommen.
Energisch, verspielt und experimental entlockt man dem Gothic Rock eine ganz neue Seite. Alle Musiker
scheinen hier ihr eigenes Ding zu machen, und irgendeine fremde Kraft führt das ganze zu einem Ganzen.
Auch wenn technisch nicht alles glatt lief, bewiesen REPTYLE ihr Können. Und wer will Live schon die
Perfektion einer CD hören. Fazit: Bielefeld braucht keinen Fußball.

Andreas